Fische füttern, Sophia Strasser
Erwähnung beim Energheia Deutschland Award 2024
Wir fütterten die Fische jedes Wochenende. Samstags nach dem Kaffee und Kuchen legte Onkel
trockene Semmeln und altes Brot in einen Eimer und fragte mich: „Anne, gehen wir zum Weiher
hinunter?“ Dann gingen wir gemeinsam den Weg von der Anhöhe, auf der unser Haus stand, hinunter
zu dem kleinen Waldstück, in dem der Weiher lag, ich an Onkels Hand. Mit meinen weichen
Kinderfingern spürte ich die Warzen auf seinem Handrücken, die dort trotz dauerhafter Behandlung
hartnäckig wucherten. Onkels Hände waren kleiner als die meines Vaters. Meine Hände waren groß für
die eines Kindes. Wir gingen zuerst einmal um den Weiher herum, dann knieten wir uns an das schmale
Ufer, und Onkel zerbrach die harten Brotstücke in Bröckchen. Ich warf sie ins Wasser. Sofort kam ein
ganzer Schwarm kleiner Fische, sie wuselten umher und schnappten nach den aufgeweichten
Semmelbrocken. Oder sie saugten und bissen als ganzer Schwarm an den harten Brotrinden, die sich
nicht so schnell auflösten. Die kleinen Fische erstaunten mich jedes Mal wegen ihrer schieren Anzahl,
aber eigentlich hofften wir auf die alten Fische, die großen. „Anne, schau!“, flüsterte Onkel mir zu. Zwei
große graue Karpfen schoben sich mit gemächlichen Bewegungen durch ihre kleinen Artgenossen
hindurch, öffneten das Maul und schnapp, verschwand darin ein ganzes Stück Brot auf einmal. Sie
tauchten ab und kamen ein paar Minuten später wieder, schoben die kleinen Fische beiseite und
schnappten den nächsten Brocken. Wenn die alten Fische kamen, wurden wir reglos. Konzentriert
schauten wir nur auf das Wasser, nicht in die Augen. Schnelle Bewegungen vertreiben die Fische.
Onkel kam jedes Wochenende. Freitagnachmittags wartete ich ungeduldig auf das Geräusch seines
BMWs, wie er in die Hofeinfahrt fuhr, und einmal um das Haus herum. Wenn ich das Motorengeräusch
in der Einfahrt hörte, stürzte ich zum Fenster, um ihm beim Vorbeifahren zu winken. Wenn er zur
Haustür hereinkam, lief ich auf ihn zu und drückte mich an ihn. „Hallo, Anne“, sagte er, und dann: „Ich
habe dir etwas mitgebracht.“ „Echt?“ Ein Band mit Pferdegeschichten, wie ich sie stapelweise
verschlang. „Danke Onkel!“ „Bitte, Anne“, sagte er. Fast jedes Wochenende brachte Onkel mir ein
Geschenk mit, ein Buch, eine Zeitschrift, einen schönen Stift. Meine Eltern schimpften ihn dafür, aber
er hörte nicht auf sie. Seine Geschenke hatten einen Ehrenplatz in meinem Regal. Onkel hatte keine
eigene Familie oder so. Jedes Wochenende kam er zu uns auf den Hof, wo auch er aufgewachsen war,
und half meinen Eltern im Stall. Jeden Samstagnachmittag, wenn die Sonne schien, gingen wir die
Fische füttern. In meiner Erinnerung schien jeden Samstag die Sonne.
Onkel war mein Beschützer und mein Spielgefährte. Wenn ich beim Mittag- oder Abendessen nichts
hinunter bekam und das Essen vor mir auf dem Teller hin- und herschob, und mir schon beim Hinsehen
graute, schnappte er sich in einem unbemerkten Moment die übrig gebliebene Kartoffel oder das halbe
Schnitzel und befreite mich von der Rechtfertigung vor meinen Eltern. Ich schaute ihn dankbar an, aber
er tat, als sei nichts passiert, nicht mal ein Zwinkern verriet ihn.
Als ich geboren wurde, hatte Onkel noch sieben Jahre zu leben.
Dass es Onkel schlecht ging, hätte er nie zugegeben. Es fiel zuerst kaum auf, oder wir taten alle, als ob
wir es nicht bemerkten. Hilfesuchend schielte ich beim Abendessen mit meiner übrigen Portion zu ihm
hinüber. Aber er kämpfte selbst. Er aß nur wenig, brockenweise, ohne zu kauen, den Blick stur auf den
Teller gerichtet. Ich sah, dass er seinen Mund überlisten musste, er musste schlucken, bevor der kapierte,
dass Nahrung hineinkam. Manchmal machte ich es auch so, aber ich war nicht besonders gut darin.
Löffelchen für Löffelchen schluckte er Mamas frisches Apfelmus, dann verschwand er schnell aus der
Küche. Am nächsten Tag am Weiher musste ich die Semmeln als Ganzes ins Wasser werfen. Es kamen
ein paar kleine Fische, aber ich bewegte mich zu unruhig, und die großen blieben weg. Onkel schimpfte
mich nicht. Ich war mir nicht sicher, ob er die Fische überhaupt sah.
Er schwieg so lange, bis die schlechten Werte ihn zum Reden zwangen. „Nächstes Wochenende komme
ich nicht heim“, verkündete er leise beim Abendessen. Sein Blick war fest auf die ungegessene Kartoffel
auf seinem Teller gerichtet. „Verreist du?“, fragte meine Mutter. „Nein, ich muss ins Krankenhaus. Ich
habe wieder Chemo.“
Wir besuchten Onkel im Krankenhaus. Ich war sieben, ich kannte schon das Wort lymphatische
Leukämie, aber das Wort Panikattacke kannte ich noch nicht. Onkel hatte irgendein Virus erwischt und
war auf der Isolierstation. Deshalb trugen wir grüne Anzüge, Hauben, Schutzbrillen und eine FFP-2-
Maske. Die Luft im Zimmer war entsetzlich. Ich hatte so etwas noch nie gerochen. Es roch nach krank,
nach alt, nach Urin und Schweiß und saurem Atem und schlechten Träumen. Im Bett vor uns lag Onkel.
Seine grauen Haare, die in alle Richtungen abstanden. Das verquollene weiße Gesicht unter einer
Sauerstoffmaske. Wie ein Insekt. Meine Familienmitglieder sahen mit ihren Schutzbrillen und Masken
auch aus wie Insekten. Grüne Insekten, Außerirdische, die um einen Zombie herumstanden. Dann fiel
mein Blick auf den Urinbecher und mir wurde schlecht. Immer schneller atmete ich, aber in dieser Welt
gab es einfach keine Luft, und mir wurde noch übler, und plötzlich drehte sich alles und dann stand mein
Bruder mit mir im Krankenhausflur. Mir liefen die Tränen über die Wangen und ich konnte nicht mehr
zurückgehen in dieses Zimmer, dieses stinkende enge Zimmer, in dem gar nicht mein Onkel lag, sondern
nur ein armseliger Verschnitt meines Onkels, der zu nichts zu gebrauchen war.
Onkel lebte sieben Jahre länger, als die Ärzte ihm gaben.
An einem Freitag im Herbst kam er schon am frühen Nachmittag nach Hause, viel früher als gewöhnlich.
Als er zur Haustür hereinkam, blieb mir meine Begrüßung im Hals stecken. Sein Gesicht war gelb, nur
die Tränensäcke und die Unterlippe waren dunkellila. Er sagte leise „Hallo“, und: „Heute habe ich dir
nichts mitgebracht.“ Seine Reisetasche glitt ihm von den Schultern und plumpste auf den Boden. „Soll
ich sie dir nach oben tragen?“ „Nein.“ Er packte die Tasche, schob sich mit angehaltenem Atem an mir
vorbei und mit langsamen Schritten die Treppe nach oben, beide Hände am Geländer. Dann verschwand
er in seinem Zimmer. Beim Abendessen saß er zusammengesunken da und starrte auf seinen Teller.
„Magst du nichts?“, fragte meine Mutter. „Nein.“ Wir aßen schweigend unsere Kartoffeln, aber ich
konnte mir die Frage nicht verkneifen: „Gehen wir morgen zum Weiher? Morgen hätte ich Zeit.“ Er
schaute mich nicht an, als er antwortete. „Ich glaube nicht, Anne.“
Am nächsten Wochenende hörte ich die Geräusche seines BMWs unser Haus umrunden. Ich zögerte
noch, als ich hörte, wie sich die Haustür öffnete, dann ging ich doch nach unten. „Hallo, Onkel.“ „Hallo,
Anne.“ Gebrechlich, gelb und lila im Gesicht. Er verzog die Lippen zu dem, was sein Körper als Lächeln
abgespeichert hatte, ich auch. „Wie geht’s dir?“ „Nicht gut.“ Er sagte es kaum hörbar, trotzdem hörte
ich die Worte überlaut. Das hatte er noch nie gesagt. Beim Abendessen würgte er Bissen für Bissen
Mamas Essen hinunter. Es gelang ihm nur noch bei wenigen Gabeln. Jetzt war es an mir, die Reste seines
Tellers heimlich verschwinden zu lassen, aber ich starrte nur selbst auf meinen Teller, nicht einmal den
Blick hob ich.
Vom Krankenhaus in der nächsten Kleinstadt verlegten sie ihn nach München, neue
Behandlungsmethode von einem Spezialarzt. Mama kochte Apfelmus und füllte es löffelweise in kleine
Schraubgläschen. Ich fuhr mit meinem Bruder nach München, Schraubgläschen in der Tasche. Ich war
nicht besser geworden. Schon beim Betreten des Zimmers konnte ich kaum noch atmen. Wieder lag er
in diesem Bett unter dieser zu schweren Decke. Er war ganz weiß im Gesicht. Die wenigen Haare, die
ihm nach der Chemo noch geblieben waren, standen in alle Richtungen, wieder. „Hallo, Onkel.“ Ich
holte schnell das Schraubglas aus der Tasche, damit ich ihm nicht die Hand geben musste. „Von Mama.“
Mein Bruder setzte sich ans Bett und unterhielt sich mit ihm. Ich atmete so wenig wie möglich, um
nichts riechen zu müssen. Ich versuchte, nicht auf das Bett zu schauen, nicht auf den Katheter mit der
braungelben Flüssigkeit, aber natürlich blieben meine Augen daran hängen und es stieg mir sauer die
Kehle hoch. Ich schaute schnell weg und konzentrierte mich auf die Einrichtung des Zimmers. Der
Boden war aus dunkelrotem Linoleum, an der Wand hing ein Bild, das in derselben Farbe gerahmt war.
Abstrakte geometrische Flächen auf weiß. Scheißdreiecke. Scheißpersonen, die dachten, solche
Scheißdreiecke würden gut in ein Krankenzimmer passen. Wie sollte ein Mensch gesund werden, wenn
er gezwungen war, stundenlang giftgrüne Dreiecke, pinke Kreise und blaue Rechtecke anzustarren.
Irgendjemand fragte mich etwas, aber ich war in einem Aquarium, hinter der Glaswand verschwommen
mein Onkel und mein Bruder und das Scheißbild. Aber auch wenn ich mit meinem stierenden Fischblick
alles verschwommen sah, prägte sich jedes Detail in mich ein, gemeinsam mit der Scham. Manchmal
musste er unterm Gespräch würgen, er spuckte geräuschlos kleine Mengen Erbrochenes in ein
Taschentuch. Mein Bruder tat, als würde er es nicht merken, und redete einfach weiter. Aber ich sah
genau, wie seine Zunge und kleine weiße Bröckchen in dem Taschentuch verschwanden, ich sah nichts
anderes. Ich hielt mich mit meinem Blick am Fenster fest, während ich darauf wartete, dass es endlich
vorbei war. Erst beim Abschied schaute ich ihm kurz in die Augen. Er lächelte mich an, leer und dunkel.
Ich schaute sofort wieder weg, auf seine Hände. „Deine Warzen sind ja viel besser geworden“, krächzte
ich. „Ich schmiere jeden Tag Ringelblumensalbe drauf.“
Nach dem Besuch spazierten mein Bruder und ich durch den Englischen Garten, wo alles gelb und rot
und orange war. Absurd, wie die Bäume so leuchten konnten und man gleichzeitig solche Schmerzen
verspüren konnte. Absurd, wie zur genau gleichen Zeit jemand in einem dunklen Krankenhauszimmer
in einem Bett unter einer viel zu schweren grauen Decke liegen konnte, jedes Nahrungsmittel
erbrechend, einen Katheter mit braunem Urin am Bett. Absurd, wie man jemanden so lieb haben, aber
nichts tun konnte, nicht mal sich überwinden, ihm in die Augen zu schauen. Absurd, dass man über
Warzen sprach, wenn man eigentlich sagen wollte, wie leid es einem tat, dass man sich so verschloss.
Jeden Tag fuhr jemand aus meiner Familie zu ihm. Ich kam nicht mit. Lieber blieb ich zuhause und
machte alleine Spaziergänge zum Weiher. Insgeheim war ich froh, dass er im Krankenhaus war. Ich war
froh, dass Mama nicht mehr nur dauernd Soufflé buk und Kartoffeln und er wieder nichts essen konnte
und ihre ganze zusätzliche Arbeit umsonst war, alles umsonst, aber die Zeit ihr trotzdem davonrannte,
und sie nicht hinterherkam. Ich war froh, dass er im Krankenhaus war und ich wieder normal essen
konnte, ohne die ständige irrationale Angst, dass er mich mit seiner Übelkeit ansteckt, ohne die Fragen
und die gereizten Antworten.
Kurz vor seinem Geburtstag läutete mittags das Telefon. Ich war von der Schule zu Hause geblieben,
weil mir schlecht war. Das Krankenhaus. Onkel war am Telefon. Papa schaltete auf laut. „Mir geht es
heute etwas besser.“ Wir konnten sein Lächeln durch das Telefon hören. Die Werte hätten sich aus dem
Nichts verbessert. Endlich. An diesem Tag schmeckte mir sogar wieder das Apfelkompott. Später auf
seiner Beerdigung würde sein bester Freund eine Chatnachricht von diesem Tag vorlesen: „Lieber
Thomas, es freut mich, dir mitteilen zu können, dass es mir heute zum ersten Mal etwas besser geht.“
Ich ging wieder zum Weiher, mit ganz leichten Schritten, und freute mich darauf, dass Onkel bald wieder
dabei sein würde. Er würde das trockene Brot im Eimer haben, und dann würden wir die Fische füttern,
hoffentlich würden auch große kommen und nicht nur kleine.
Am nächsten Wochenende fuhr ich wieder zu ihm. Vielleicht war es die Hoffnung, die machte, dass ich
ihm in die Augen schauen konnte, als er mich begrüßte. Bald konnten wir wieder die Fische füttern,
gemeinsam. Er saß aufrecht im Bett. „Wie geht’s dir heute?“ „Ich bin heute schon aufgestanden und aufs
Klo gegangen.“ „Sehr gut.“ Ich zog mir einen Stuhl heran und setzte mich ans Bett. Auf dem
Beistelltisch stand ein kleiner weißer Tiegel. „Ist das die Ringelblumensalbe?“ „Nein, damit kann ich
mir den Bauch und Rücken einschmieren.“ „Ah.“ Ich schluckte, blickte auf die Häuserwand im Fenster,
auf die bunten Dreiecke im roten Rahmen. „Soll ich dir den Bauch einschmieren?“ Mein Nacken wurde
steif, als ich mich selbst hörte. Was, wenn er sich wieder übergeben musste? Schon beim Gedanken
daran wurde mir schlecht. Ich starrte auf das Bild, während ich auf seine Antwort wartete. Es fiel ihm
mindestens so schwer wie mir. „Okay“, sagte er leise. Er drehte sich auf die Seite und zog sein
Schlafanzugoberteil ein wenig nach oben. Sein Bauch war immer noch massig und geschwollen. Er
quoll aus dem Brustkorb hervor, darüber die einzelnen Rippen gut erkennbar. Ich biss mir auf die Lippen,
als ich den Bauch sah. Aber jetzt keinen Rückzieher mehr. Vorsichtig legte ich meine Hand auf Onkels
Bauch und strich langsam darüber. Er war prall. Weniger weich, als ich angenommen hatte.
Wasserablagerungen. Seine Haut war von Muttermalen übersät, große braune Leberflecke und kleine
warzige, die ich unter meiner Handfläche als Unebenheiten spürte. In mir kam die Erinnerung daran
hoch, wie ich als Kind meinem Vater den Rücken massierte, der ihm immer schmerzte. Sein Rücken
war genauso voller Muttermale. Die Haut meiner Hände erinnerte sich an das Gefühl der verschiedenen
Unebenheiten. Wie die verspannten Muskeln meines Vaters spürte ich unter der gespannten Bauchhaut
von Onkel wulstige Knoten. Sie waren faustgroß und gaben etwas nach, als ich darüberstrich. Ich fuhr
langsam und mit wenig Druck über die Hügel auf und unter seiner Haut, von den Rippen bis zum
Bauchnabel und über den Rücken. Onkel hatte die Augen geschlossen und sah ganz ruhig aus. Ich hatte
ihn noch nie so berührt. Ich kannte das Gefühl meiner kleinen Kinderhände in seiner, von den unzähligen
Malen, an denen wir gemeinsam zum Weiher spaziert waren. Ich kannte das Gefühl der rauen Berge auf
seinen Fingergliedern, die getrockneten Warzen, die ausgerechnet jetzt plötzlich verschwunden waren.
Während sich die Berge auf seiner Haut einebneten, die ehemals vollen Wangen zusammen- und die
Schultern einfielen, wuchs es unter seiner Haut. Die Krankheit wucherte von innen gegen die Wände
seines Körpers, unsichtbar, unerklärlich. Selbst der Spezialarzt konnte nur rätseln. Sein Körper verbarg
seine Leiden, wie auch er seine Schmerzen, seine Emotionen, sein Leben außerhalb des Wochenendes
vor uns verbarg. Das Gefühl seines Bauchs unter meinen Händen ließ mich erahnen. Während ich über
die weiche Unebene strich, dachte ich an den Weiher. Ich dachte an die grünen Felder und den blauen
Himmel. Ich wollte, dass der Himmel durch meine Hände in seinen Bauch glitt, der blaue Himmel
unserer Weiherspaziergänge, den er schon seit Wochen nicht mehr gesehen hatte, weil sein Fenster nur
eine Fassade war. Vielleicht war das Wasser in seinem Bauch die angesammelte Sehnsucht nach seinem
Lieblingsort. Mit dem blauen Himmel in meinen Händen würde ich die Knoten schmelzen und das
Wasser zum Abfließen bringen, damit seine Beine ihn wieder tragen konnten. Ich dachte an die alten
Fische mit ihren großen grauen Leibern, wie sie sich langsam durch das Wasser schoben, während ich
meine Hände über seinen wassergefüllten Bauch schob. Wir waren beide stumm, aber das hier war die
Sprache, in der wir uns verstanden. Als ich das Gewicht meiner Beine verlagerte, stieß ich mit meinem
Schienbein an den Blasenkatheter am Bett. Ich musste nicht würgen, ich musste nicht einmal schlucken.
Es machte mir nichts aus. „Danke, Anne“, sagte er, als ich die Hände von ihm löste, viel später. Ich sah
ihm in die Augen, zum ersten Mal seit langem wieder richtig. Sie waren dunkel, aber in der Leere
leuchtete etwas. „Das kann ich gerne wieder machen.“ Er nahm meine Hand, als wir uns
verabschiedeten. „Tschüss, Anne.“ „Tschüss, Onkel, bis zum nächsten Mal. Ich komm‘ bald wieder.“